Last Exit Selfstorage
(Für Melusine Barby)

auf den strahlen meiner augen habe ich dich getragen
in mein innerstes mir selbst verborgenes land
dort werde ich auch meine sehnsucht begraben
als ein glück mehr das ich nicht fand
Mir kommt es so vor, als säße ich hier schon Jahre hinter den verschlossenen Türen, dabei sind es doch erst Tage, vielleicht auch nur Stunden. Für mich ist das gleich. Mir ist, als gäbe es hinter tausend Türen keine Welt mehr. Die Zeit wuchert in meinem Gehirn, draußen läuft sie aseptisch chronologisch ab, als hätte sie mit mir nichts mehr zu tun. Im Grunde weiß ich gar nicht wie ich hier rein gekommen bin. Ich war schon immer ein verschlossener Typ. Die Luft wird dünn werden, irgendwann ist der Sauerstoff verbraucht. Als sie mich verlassen hat, habe ich noch gedacht, ich schließe ihre Sachen einfach in einen dieser Räume, die man mieten kann. Zuhause hätte ich es nicht ausgehalten, diese ganzen Erinnerungen. Allein ihr Sommerkleid roch noch nach diesem Pfirsichduft und wenn ich über den Stoff strich, bekam ich feuchte Augen. Ich weiß noch genau, wie sie sich darin vor einem Schaufenster spiegelte, vor dem wir stehen blieben auf dem Weg ins Kino. Es wurde mir erst langsam klar, dass sie nun für immer fort war.
Der Verwalter unten war freundlich zu mir, als ich sagte, es wären eben Hinterlassenschaften von jemandem, die ich einfach nicht zur Müllabfuhr geben könnte. Er ahnte nichts von meinem eigentlichen Plan. Ich sagte ihm, ich würde den Schlüssel später in den Briefkasten werfen, er könne ruhig schon Feierabend machen. Er protestierte ein wenig, das wäre nicht zulässig, aber es war heiß und er freute sich bestimmt schon auf ein großes Pils im Biergarten. Wie gesagt, er war einer von der freundlichen Sorte und ich bekam sogar noch einen Lastenwagen für schweres Gepäck. Nachdem ich die Bilderrahmen, zwei große Reisetaschen und den Koffer in den Raum 3337 hinaufgebracht hatte, habe ich das Vorhängeschloss so drapiert, das es aussieht, als wäre die Tür verschlossen, dann ging ich hinein und zog sie hinter mir zu. Die schweren, blauen Türen schließen hier mit einem dumpfen, satten Geräusch. Ich empfand es als beinahe beruhigend, es hatte so etwas Endgültiges. Bevor ich hineinging hatte ich noch einmal einen letzten Blick über den einsamen Flur geworfen. Er glänzte so schön steril wie vor einem Operationssaal und das Neonlicht fiel grell von der Decke. Das Hinweisschild zum Ausgang benötigte ich nicht mehr. Am Ende des Flurs gab es noch ein kleines Fenster. Ich hatte nicht das Bedürfnis dort noch einmal hinauszusehen. Den leeren Wagen hatte ich um die Ecke ein bisschen weiter weg geschoben, damit man ihn nicht so schnell zuordnen kann.
Das Gebäude wirkt klinisch rein, was wohl das seriöse Angebot unterstreichen soll. Selbst die Ecken der Flure waren mit einem halbhohen Stoßschutz versehen, erinnere ich mich. Alles hat seine Ordnung, zumindest hier. Ich habe mich auf den Boden gesetzt und das Licht ausgemacht. Ich lehne jetzt mit dem Rücken an der Wand. Ich bin keine Katze, die im Dunkeln sehen kann, aber das Ziel der Rasierklinge finde ich auch so. Quer muss man schneiden, ich weiß. Sie werden den Fußboden schon wieder sauber bekommen.
Gefällt mir:
Like Wird geladen …
Ähnliche Beiträge
Wie ich mich über diesen Beitrag freue! (Ihnen ist ein Preis gewiss, lieber Dietmar!) Ich verlinke sofort darauf!
Ganz herzliche Grüße
Melusine
Liebe Melusine,
eigentlich ist ein Preis für nur eine halbe Stunde Schreiben wirklich zu groß. Mich freut es aber sehr, dass Ihnen der kleine Monolog zum Photo gefällt. Manchmal ist das so, man hat einen Einfall und dann muss man es nur fließen lassen wie früher aus der Feder. Ich sehe mich zwar nicht in der Konkurrenz zu Aléa Torik und Guido Rohm, aber nach meiner persönlichen Einschätzung sind beide Beiträge preiswürdiger. Von Guido Rohm muss ich doch unbedingt nochmal etwas lesen, ich könnte im Oktober die „Blutschneise“ nehmen. Auf „Das Geräusch des Werdens“ von Aléa muss ich leider noch länger warten. Aber vielleicht ist das auch gut so, denn im Moment hat mich eine unschöne Buchkrankheit befallen. Ich komme über die ersten 30 Seiten kaum hinaus und greife schon zum nächsten, als würde mich nichts wirklich festhalten. Das ist unprofessionell und ich muss lernen, mich auf eine Sache zu konzentrieren. Ich wünsche Ihnen noch viele weitere Beiträge zu „Mein Platz“ und überhaupt nur das beste.
Herzlich
Der Buecherblogger
klasse geflossen! geiles ende!
auch in der kuerze liegt viel wuerze!
etwas, das mir nicht gerade liegt.
Lieber Dietmar,
irisnebels Kommentar zeigt es: Ihr Beitrag braucht sich gar nicht zu verstecken. Mir gefällt er sehr gut, gerade auch, weil er die Umstände des Ortes so detailgenau einbezieht in die kurze Erzählung! Sie entspricht mit ihrem Ende recht gut den Eindrücken, die mir dieser Ort in seiner geleckten Unheimlichkeit vermittelt hat.
Beste Wünsche zur Überwindung der „Buchkrankheit“. Ich kenne das!
Herzlich Melusine
Liebe J.,
vielen Dank für die Genesungswünsche. Ich denke das ist wie mit Halsschmerzen, irgendwann sind sie weg.
Herzliche Grüße an Sie und Morel
D.
Liebe Irisnebel,
die Sprache Ihrer Kommentare ist immer so schön direkt und unverstellt, aber auch kurz. Also in den Kommentaren zumindest können Sie das. Das „geile Ende“ ist spontan entstanden, wie überhaupt die kurze „Bilderzählung“. Ich glaube, so kleine Prosa-Miniaturen zu Gemälden oder Fotos liegen mir. Der lange Atem zum Roman geht mir zu oft aus und meine Phantasie braucht einen Katalysator. Das eigene Erzählprinzip fiel mir fast erst hinterher auf. Kurze Pinselstriche, Andeutungen, die sich im Kopf des Lesers verschieden weiter ausmalen lassen und dann die Konzentrierung auf ein abruptes Ende hin, das sich zur Gegenwartssituation des erzählenden Ichs steigert. Zuviel Brimborium sollte man über solch kleine Sachen aber nicht machen. Der Realismus des Bildes muss natürlich auch einfließen. Bei der 9. Literarischen Begegnung der dritten Art „Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht„, (der Titel ist natürlich wie der Anfang vom ersten Kapitel aus Musils “ Der Mann ohne Eigenschaften“ genommen) steht der Realismus der Szenerie auch im Kontrast zu den eher „abgehobenen“ Dialogen zwischen Aléa und Ulrich.
Meine Antwort wird zu lang, deshalb nur noch kurz die Bemerkung, dass ich mich auf den nächsten, langen Beitrag bei Ihnen freue. War längere Zeit still bei Ihnen, sind Sie im Urlaub? Schade, dass Sie Ihren Blog ab und zu „dicht machen“. Ich finde alle sollten ihn lesen können.
Herzlichen Gruß
Der Buecherblogger
Lieber Dietmar,
ich teile die Meinung von Melusine und Iris zu dem Thema Selbstinterpretation. Ihre Aufgabe ist es, etwas zu machen. Es klein oder groß machen, ist die Aufgabe der anderen.
Aléa
Liebe Aléa,
Sie haben natürlich recht. Je öfter ich diese kleine Geschichte lese, desto besser gefällt sie mir selbst, aber Selbstbeweihräucherung hasse ich wie die Pest. Allerdings ist falsche Bescheidenheit auch keine Zier. Wo Sie schon mal da sind oder für kurz oder lang waren, der letzte „Ulrich“ spielt zu sehr vor Ihrer Haustür, oder?
Mit herzlichen Grüßen
Dietmar
lieber Buecherblogger,
ja, mein blogg ist u.a. wegen urlaub und der vollkommenen unlust zu ueberhaupt allem der betreiberin eingemottet. ich habe mich in den letzten monaten ueber die massen hinaus im leben ueberarbeitet und selbst ueberfordert, so dass es mir nun vorkommt, als streike mein koerper und verwahre er sich gegen jegliche art von bewegung. ein schlechtes gewissen behindert dann auch die erholung… ist aber jedes jahr aehnlich um diese zeit. ich benoetige volle 6 wochen, um wieder normal zu ticken. aergerlich bei all dem, was ich eigentlich vorhatte. wahrscheinlich benoetige ich diese funkstille, um mich dann wieder erfolgreich ueberarbeiten zu koennen. ;) ich gebe entweder 150 % oder gar nuescht. ;)
danke fuer „Ich finde alle sollten ihn lesen können.“ und „die Sprache Ihrer Kommentare ist immer so schön direkt und unverstellt,…“. und ein grosses hihi fuer „…aber auch kurz. Also in den Kommentaren zumindest können Sie das.“ :)
wegen Ihrer buchkrankheit… seit dem ich nur noch mit brille lesen kann, ist es mir ein wenig vergellt. zu vieles wird in zu kleiner schrift gedruckt, und es koennte sein, dass ich schon staerkere glaeser brauche. und wenn man zu vieles auf einmal lesen/wissen will, behindert das ein zuendelesen. wir sollten dann vielleicht engere kanaele bauen, damit der blick nach vorn gezielter haften kann. es stuermt so vieles auf uns ein…
heute mit etwas laengerem gruss ;)
LG
Irisnebel
Liebe Irisnebel,
das hört sich für mich verdächtig nach „Burnout“ an. Gönnen sie sich unbedingt die Auszeit. Ihre Beiträge im Blog empfinde ich als sehr intensiv und sicher oft mit viel Recherchearbeit verbunden, „enzyklopädisch“, wie eine uns bekannte Dame einmal schrieb. Macht also Arbeit und Ihre ganz eigene Gefühlswelt steckt auch immer noch drin. Vermutlich aber belastet Sie mehr ein Berufsleben, das Sie auch noch bedienen müssen. Also Pause und danach unbedingt für regelmäßige Bewegung sorgen, am besten in frischer Luft. Ich fahre seit längerer Zeit Fahrrad. Oft fühle ich mich bevor ich losfahre müde und abgeschlagen und nach zehn Kilometern überraschenderweise nicht noch ausgelaugter, sondern frischer. Schwimmen, Yoga, Laufen, Waldspaziergänge. Einfach raus. Was Sie über die Augen sagen trifft absolut auch auf mich zu, meine Lesebrille bedarf einer Überholung. Gegen das „Einstürmen“ kann man ja nicht viel machen.
Liebe Grüße zurück
Der Buecherblogger