Das einsame Geschäft zwischen Schuldgefühl und Idealismus

Degas

Es war etwa abends um zehn, das Zimmer lag schon im Halbdunkel, nur die Nachtischlampe brannte und verbreitete ihr spärliches Licht. Ein sommerlicher Tag neigte sich dem Ende zu. Der Schlüssel der Zimmertür steckte von innen und war vorsichtig und leise einmal umgedreht worden. Der junge Mann, blond und ganz gut gebaut, er mochte so um die sechzehn Jahre alt sein, hatte diesmal etwas weniger das Gefühl von Ersatzbefriedigung mit unbestimmten Schuldgefühlen, als er sich auf das Bett legte, den Slip bis über die Knie herunterzog und seine linke Hand das Buch mit den erotischen Geschichten nahm. Die rechte ließ er langsam zu seinem Schwanz hinuntergleiten. Seine Erziehung und seine Freunde hatten ihm das Gefühl gegeben, dass Onanieren oder Masturbieren (er war sich über die genaue Wortwahl im Unklaren) so etwas wie eine unreine Autoimmunerkrankung sein musste, der man sich aber nur schwer entziehen konnte. Er redete sich ein, jede geile, gelesene Szene nur dazu zu benutzen sich vorzustellen, wie es wäre, mit Yvonne zu schlafen, sie zu lieben, ihre Zärtlichkeit oder Lust zu spüren. Alles wurde zwar zu einem Ersatz für sie, zu einer Projektionsfläche seiner Gelüste, aber er glaubte, das Gefühl sie wirklich lieb zu haben, gäbe dem was er tat fast so etwas wie Aufrichtigkeit oder Ehrlichkeit zurück. Obwohl es allen anderen zum Trotz doch keinen Grund geben sollte sich zu verstecken, kämpfte er  mit einem unbestimmten Schuldgefühl. Er versuchte, die ihn am meisten erregenden Stellen in dem Bewusstsein zu lesen, seine Phantasie beziehe sich auf eine vage in der Zukunft mögliche Wirklichkeit und dennoch schien ihm seine Betätigung zu billig.

Eros, Libido oder was auch immer ließen aber in diesem Alter keine Ruhe. Seine Phantasie taumelte von einer Wunschvorstellung zur anderen. Wenn er doch nach einer aufregenden Liebesnacht morgens neben ihr aufwachen könnte. Sie läge schlafend auf der Seite und er würde mit einigem Egoismus in ihren warmen Bauch eindringen, würde sich mit langsam schläfrigen Stößen ganz leicht in ihr bewegen. Sie empfände ihn nicht als Eindringling, sondern wie die Erinnerung an die vergangene Nacht, die ihnen beiden etwas nie wieder Verlöschendes, einen neu gewonnenen Teil ihrer selbst gebracht hätte. Er kannte den Unterschied genau, wie er jetzt so da lag, entspannt seinen eigenen Körper betrachtete und sich vorstellte, wie ihr Mund sein pralles Glied umschließen würde, ihre Augen ihn dabei anschauten und gerade dieser gleichzeitige Blickkontakt mehr als alles andere seine Erregung steigerte. Das süße Gefühl brannte wie manisch ohne dass man aufhören konnte. Jetzt schien es kein Vergleich zu den vielen Malen, wenn er sich erotischer Filme oder Zeitschriften als opportune Wichsvorlage bediente. Ein untrügliches Zeichen war dann das schale Gefühl danach. Trotz aller körperlichen Erleichterung blieb meist eine traurige Depression zurück. Die sollte es ja sogar hinterher geben, wenn man es richtig miteinander tat, „post coitum animale triste“.

Jetzt aber war es beinahe so, als würde er wirklich mit ihr schlafen. In Gedanken flüsterte er ihr etwas ins Ohr und knabberte leicht daran, obwohl er sich immer einbildete, sie würden sich auch ohne Worte verstehen. Er lächelte fast ein wenig stolz in sich hinein, freute sich, seinen hoch aufgerichteten Schwanz zu massieren und roch an seiner Hand, die immer mehr von diesem schweren Geruch zwischen seinen Beinen durchdrungen wurde. Langsam spürte er die wachsende Nässe zwischen Eichel und immer wieder vor- und zurückgeschobener Vorhaut, bis auch seine Finger nass wurden und er die Haut immer weiter zurückzog. Auf einmal lag dieser ganze glänzende Kopf frei. Penetrant rückte immer wieder die Vorstellung in den Vordergrund, seinen glitschig-weißen Samen auf ihr Gesicht zu spritzen, ihn langsam auf ihre Lippen tropfen zu lassen, seinen Schwanz spielerisch gegen ihre Wangen und ihren Hals zu schlagen. Dann wollte er ihr verwüstetes Gesicht wieder sauber küssen, seinen Saft aus ihrem Mund trinken, während er noch ein letztes Mal zwischen ihre Beine drang. Er musste mit den Bewegungen seiner Hand langsamer werden, um bei diesem Gedanken nicht zum Höhepunkt zu kommen. Schon wurde er wieder schneller, hätte am liebsten gesehen, wie sie in einem Sessel ihm gegenüber langsam aufreizend ihre Beine spreizte. Er wollte sie ganz nackt sehen, jede Stelle ihres Körpers küssen, diesen großen Mund zwischen ihren Beinen auf der Zunge schmecken und in ihren Schamhaaren wühlen. Er spürte, dass er sich nicht mehr zurückhalten konnte, sich jetzt ganz auf dieses Gefühl dort unten konzentrierte. Er fing an, leise zu stöhnen und seine Beine anzuspannen. Seine Hand legte richtig los, wurde immer schneller und konnte nicht mehr aufhören, bis dieser glasige Saft sich in pulsierenden Strömen über seine Hand ergoss. Ob es so oder vielleicht noch schöner wäre, wenn sie sich liebten? Wenn doch bloß nicht diese Ungewissheit wäre und dieses verschämte Gefühl, etwas Unanständiges getan zu haben. 

Nun war der Körper zu seinem Recht gekommen, Hormone hatten ihr unsichtbares Spiel getrieben und ihn sich als Belohnung wohltuend entspannen lassen. Es schien wieder mehr Platz für eine platonische, ideellere Art der Sehnsucht vorhanden, die aber noch wenig davon wusste, dass Lust und Liebe sehr selten zueinander fanden. Er rutschte vom Bett, zog sich seine Hosen wieder an und hatte etwas Schwierigkeiten, die immer noch lästig geschwollenen Teile da unten zu verpacken. An der Zimmertür horchend schloss er sie möglichst geräuschlos wieder auf und huschte ins Bad, um seine Hände, wie sagte man doch, in Unschuld zu waschen.