Literaturzitate

Sie aber , sie hatte ein Dasein, das kalt war wie ein Speicher, dessen Fenster nach Norden blicken, und die Langeweile, diese lautlose Spinne, spann im Schatten ihr Netz in allen Winkeln ihres Herzens.

(Gustave Flaubert: Madame Bovary)

Ich suchte des Nachts in meinem Bette den meine Seele liebet. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht! Ich will aufstehen und in der Stadt umgehen, auf den Gassen und Straßen und suchen, den meine Seele liebet,  ich suchte, aber ich fand ihn nicht…

(Hohelied Salomos)

L’absence est à l’amour ce qu’est au feu le vent; – Il éteint le petit, il allume le grand.

(Roger Bussy-Rabutin)

Nur ein einziger Satz stand auf der Rückseite: „Love, Christian, is a warm bearing wave“, unterschrieben Stella.

(Siegfried Lenz: Schweigeminute)

Vielleicht ist unter allen Masken, die man wählen kann, das Ich die beste.

(Alfred Andersch)

Nur einen Sommer gönnt, Ihr Gewaltigen!
   Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
      Daß williger mein Herz, vom süßen
       Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

(Hölderlin)

Und dann saßen wir bei Tisch. Die silbernen Girandolen leuchteten im Kerzenschein, und die Blumen entstiegen den Vasen wie farbige Flammen. Von Spiegel zu Spiegel grüßte sich das Licht des kristallenen Lüsters, rings schwieg, wie eine Muschel dunkel gewölbt um ihre leuchtende Perle, das Haus.

(Stefan Zweig: Ungeduld des Herzens. S. 337, vgl. auch „Spieglein, Spieglein an der Wand…)

Aber all das gilt oft nur für die Länge eines Zeigersprungs. Dann scheint in allem wieder das Gegenteil richtig zu sein.

(Walter Helmut Fritz: Umwege 1964 S. 123)

Dann fanden alle moralischen Ereignisse in einem Kraftfeld statt, dessen Konstellation sie mit Sinn belud, und sie enthielten das Gute und das Böse wie ein Atom chemische Verbindungsmöglichkeiten enthält. Sie waren gewissermaßen das, was sie wurden.

(Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften)

Es ist, als ob die Ereignisse ausladender sind als der Augenblick, in welchem sie sich vollziehen, und nicht völlig darin Platz zu finden vermögen.

(Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. V S. 606)

Es ist nur das Leben, das altert. Wir sind, während Jahrhunderte nur als Sekunden zählen, und unsere Augen sich nach tausend Leben zu öffnen beginnen.

(Eugene O´Neill: Der große Gott Brown)

Wir sind aus Stoff, aus dem die Träume sind. Und unser kleines Leben eingehüllt in Schlaf.

(Shakespeare)

Entscheidungen auszusprechen ist Sache der Nilpferde. Ich ziehe vor, Salatblätter auf ein Sandwich zu legen und Unrecht zu behalten.

(Günter Eich)

Warum Geist haben in einer Welt, die mechanisch weiterläuft?

(Raoul Hausmann)

Die Bande zwischen einem Wesen und uns existieren nur in unserem Denken. Wenn das Gedächtnis nachlässt, lockern sie sich, und ungeachtet der Illusion, der wir gern erliegen würden, und mit der wir aus Liebe, aus Freundschaft, aus Höflichkeit, aus Rücksicht auf die Menschen, aus Pflichtgefühl die anderen betrügen, existieren nur wir allein. Der Mensch ist das Wesen, das nicht aus sich heraus kann, das die anderen nur in sich selber kennt und lügt, wenn es das Gegenteil behauptet.

(Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. VI S. 58)

Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben:
Die da liegen in Wassergewinden im Meer
Sollen nicht sterben windig und leer
Nicht brechen die, die ans Rad man flicht,
die am Rechen man bricht, deren Sehnen man zerrt:
Ob der Glaube auch splittert in ihrer Hand
Und ob sie das Einhorn des Bösen durchrennt,
Aller Enden zerspellt, sie zerreißen nicht:
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.

(Dylan Thomas)

Die meisten Menschen wollen nicht eher schwimmen, als bis sie es können! Ist das nicht witzig? Natürlich wollen sie nicht schwimmen! Sie sind ja für den Boden geboren, nicht fürs Wasser. Und natürlich wollen sie nicht denken; sie sind ja fürs Leben geschaffen, nicht fürs Denken! Ja, und wer denkt, wer das Denken zur Hauptsache macht, der kann es darin zwar weit bringen, aber er hat doch eben den Boden mit dem Wasser vertauscht, und einmal wird er ersaufen.

(Hermann Hesse: Der Steppenwolf)

Diese winzige Proportion der Gestalt der Frau ist der logische und notwendige Effekt der Art und Weise in der die Liebe sich entwickelt, eine deutliche Allegorie ihrer subjektiven Natur.

(Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. VI S. 31)

Unsere Liebe ist eine Funktion unserer Traurigkeit.

(Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit)

… wie gewisse Steine wies ihr Vokabular hier und da eine Trübung auf, die dann verdunkelnd auf ihr Denken wirkte.

(Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. III S. 29)

…; es ging mir wie denen, die sich auf die Reise begeben, um mit eigenen Augen eine Stadt ihrer Sehnsucht zu schauen, und sich einbilden, man könne der Wirklichkeit den Zauber abgewinnen, den die Phantasie uns gewährt.

(Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. I S. 3)

Es war eins von jenen Nichts, aus denen die Erinnerung später Lebendiges macht, wenn wir am warmen Feuer an die Stunde oder den Ort denken, als dieses Nichts uns bewegte, wenn wir an dieses Glücksgefühl denken, dessen Ursachen noch nicht festgestellt worden sind, das sich aber ausbreitet über alle Gegenstände, die uns in den Augenblicken, in denen das Leben leicht und unsere Herzen voll sind, umgeben.

(Honoré de Balzac: Ein Drama am Meeresstrand)

Wer hätte noch nicht in Augenblicken großer Freude diese unendliche Wonne empfunden, da die Seele sich loszulösen scheint von den Banden des Fleisches, zurückzukehren scheint dahin, woher sie kommt? Die Freude ist nicht unser einziger Führer in jene Regionen. Gibt es nicht Stunden, in denen die Gefühle von selbst einander umarmen und sich dorthin schwingen, wie zwei Kinder, die einander bei der Hand nehmen und laufen, ohne zu wissen warum?

(Honoré de Balzac: Ein Drama am Meeresstrand)

Denn eines der barmherzigen Gesetze der Natur, das sich im Schoße komplexerer Gesellschaftsgebilde manifestiert, besteht darin, dass man in völliger Unkenntnis dessen lebt, was man liebt.

(Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bd. III)

Gott sei Dank geht alles schnell vorüber
Auch die Liebe und der Kummer sogar.
Wo sind die Tränen von gestern Abend?
Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?

(Bertolt Brecht: Lied eines Freudenmädchens)

Mais où sont les neiges d’antan?

(François Villon: Ballade der Frauen von einst)

Mein lyrischer Spiegel
erotische Aspekte –
Gebrochenheiten Staunen
zerebral verfasert –
Wirbelsäule tönend von Begierde
und Metaphern ultragenital
Trunken fielen Worte hin
namentlich im Winter

(Herbert Meier: Jonas und der Nerz)

Wir sind nichts Wirkliches! Ob wir lügen oder nicht, gut sind oder uns wegwerfen: es ist etwas mit uns gemeint, das wir niemals richtig auslegen können…

(Robert Musil: Die Schwärmer. Schauspiel in drei Aufzügen)

Das ist ja wohl der letzte eigentliche Sinn des Künstlers, dass er dem Unsinn des Lebens einen Schleier in seiner Schöpfung überwirft, einen dünnen, deckenden Schleier über den Abgrund chaotischer Kräfte, die für uns buchstäblich nichts sind gegenüber jener vorgespiegelten Welt, die unsere Wahrheit vorstellt, und sei es auch eine Illusion in der verrinnenden Zeit.

(Alfred Kubin: Dämonen und Nachtgesichte)

…Nein, es ist unmöglich; es ist unmöglich, das Lebensgefühl einer bestimmten Epoche unseres eigenen Daseins anderen zu vermitteln – das, was deren Wahrheit, deren Sinn ausmacht -, deren zartes und durchdringendes Wesen. Es ist unmöglich. Wir leben, wie wir träumen – allein…

(Joseph Conrad: Herz der Finsternis)